Wappen der Stadt Mülheim an der Ruhr (Lange Beschreibung auf einer Extra Seite)

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So schmeckt das Rheinland

37 Sehbehinderte resp. Blinde, Mitglieder eines Blindenvereins aus Mülheim an der Ruhr, hatte eine Rheinfahrt auf der „Beethoven“ gebucht. Bei grauenvollem Wetter, das den Rhein mit nebel- und regenverhangenen Hängen so verwunschen zeigte, wie es nun auch wieder keiner gewollt hatte, ging es von Bonn nach Linz und retour.

Die Fahrt selbst ist eine Sinnesreise. Erdacht von Kölner Studenten, hat die Tourismus und Congress GmbH Bonn das Konzept übernommen. Und die Mülheimer hatten zugegriffen.

Die Teilnehmer des Ausflugs vor dem Schiff.Foto: Harald Weller

 

„Ich bin dabei, weil ich die Geselligkeit schätze“, meint Dorothee. Sie ist seit 4 Jahren blind. Niemand der Mitreisenden ist von Geburt an blind. Per Krankheit hat sie ihr Schicksal ereilt. Meist durch Grünen Star und Makula-Degeneration. „Ich kann die Umrisse sehen. Aber wenn ich versuche, mich zu konzentrieren, also scharf sehen will, ist es aus. Das ist ein Durchblutungsproblem in den Sehnerven. Irreparabel“, erzählt Wilhelm. 

Draußen zieht derweil das Wasserwerk vorbei. Und der alte Bundestag. Roswitha Samson ist die Frau, die die Sinnesreise erst interessant macht. Sie gibt immer wieder Fabeln zum Besten. Sagen, Mythen. Damit die Leute sich wohl an Bord fühlen. Sich mit der Gegend identifizieren. Oder kennen Sie die Geschichte von Hildegunde und Roland? Kurz erzählt: Roland und Hildegunde liebten sich. Aus Gram über die Nachricht, ihr Liebster sei in der Schlacht gefallen, begab sich Hildegunde ins Kloster. Allerdings: Er hatte überlebt und bezog wieder seine Burg am Rhein. Daraufhin starb die Holde aus Gram. Roland, das zur Kenntnis nehmend, erhängte sich darauf hin.“Solche Geschichten voller Seelenschmerz und Romantik gibt es zu Hauf am Rhein. Roswitha Samson kennt sie alle. „Ich erzähle den Leuten Geschichten, damit sie ihre Umgebung erleben, erfühlen, erahnen, begreifen können“, sagt sie. Und hat damit Erfolg.

Neben Hildegunde und Co. gibt es ja auch noch die Riechfläschchen. Hier geht es um den Rheinwein. Welche Aromen hat der denn in sich? „Ich habe Rot- und Weißwein im Angebot. Und dazu die passenden Aromen. Zum Beispiel Kirsche, Rauch, Aprikose und Zitrone. Und die Tourteilnehmer müssen raten.“ Das sorgt für große Heiterkeit und Aha-Erlebnisse auf dem Deck der Beethoven. So wie auch das Steinfühlen. „Ach ja, und da das Schloss von Thomas Gottschalk.“ Und wieder eine Geschichte von Drachen und Menschen. „Da, die Brücke von Remagen. Das war so:  ....“

Was ist das für ein Stein? „Keine Ahnung, Lava“, meint Marie. „Richtig.“ Basalt, Schiefer, Rheinkiesel sind unter anderem im Angebot. Das Richtige für Edeltraud. „Wenn Sie wollen, können Sie die Präsidentensuite im Petersberg-Hotel buchen. Dazu brauchen Sie allerdings das nötige Kleingeld“, erzählt Roswitha Samson die Geschichte des Petersbergs.

Derweil berichtet Marie, warum vier Hunde die Tour begleiten: „Am besten geeignet als Blindenführhunde sind Großpudel. Das sind die intelligentesten. Aber wir nehmen auch den Labrador oder den Schäferhund.“ Dragan und Selma könnten das bestätigen. Selma ist die Schäferhündin von Gabriele. Dragan gehört zu Marie. Stefanie ist auch dabei. Wie Gerrit kann sie sehen. Und begleitet ihre Mutter. Von hinten winkt Ursula: Sie hat auch einen Hund dabei. „Der heißt „Darky“ sagt sie. Aber mit Ypsilon.“ Sie alle sind dabei, weil sie die Geselligkeit schätzen. „Ich war noch nie so aktiv wie jetzt, wo ich im Blindenverein bin“, meint Marie. Die anderen nicken.

 

Und wissen jetzt aus eigener Erfahrung, wie das Rheinland tickt. Die Geschichten haben sie verzaubert, die Steine haben sie gefühlt, die Aromen gerochen. So schmeckt das Rheinland, können sie erzählen, wenn sie nach Hause kommen. Roswitha Samson bekommt Beifall, als die Tour zu Ende geht. Sie alle haben das Rheinland erlebt. Nicht gesehen, aber gefühlt, geschmeckt und begriffen.

Harald Weller

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